1. Thessalonischer 5,21Prüft alles und behaltet das Gute!
Liebe Gemeindemitglieder, mir kommt es vor, als sei sie gerade für unsere Zeit gemacht. Denn Lügen, Halbwahrheiten und auf Effekte zielende Vereinfachung komplexer Sachverhalte waberten ja gerade vor der Wahl in Massen durchs Netz. Vermutlich geschieht das öfter und oft fällt es nicht auf. Prüfen bedeutet Mühe. Aber in uns steckt auch ein angeborener Forschergeist, eine kindliche Neugier und ein Sherlock Holmes…
Und was, wenn wir geprüft haben? Wenn Lügen enttarnt sind, wenn Schaden erkannt ist? Das Handeln danach macht oft Angst, denn es bedeutet dann auch, Grenzen zu setzen. Wohlgemerkt: Grenzen, nicht Aus-Grenzen. Auch wenn das Gegenüber das so empfi nden mag. Zu ungewohnt ist es, eigenständig zu denken und für seine Prüfergebnisse die Verantwortung zu übernehmen. Oft kann es zu Schmerzen oder Enttäuschungen führen – sowohl für uns als auch für die Menschen um uns herum. Vielleicht fühlen wir uns schuldig, wenn wir jemandem absagen oder wir befürchten, dass wir Beziehungen belasten. Doch manchmal bringt Schmerz eine wertvolle Wendung, die Einsicht und den Willen, wirklich etwas zu ändern. Getreu dem Spruch: „Stell dir vor, die Zukunft wird wunderbar und ich bin schuld!“ Überhaupt passen da so viele Sprüche von unserer Sprüche-Seite zu diesem Thema! Das sind ja Weisheiten, die sich in den Augen vieler bewährt haben.
Damit es eine gute Wendung nehmen kann ist es wichtig, Grenzen in einer Haltung der Liebe zu setzen. Was solche Grenzen vom Aus-Grenzen unterscheidet ist, dass wir den anderen nicht vernichten wollen und nicht hassen. Selbst wenn Mörder eingesperrt werden und Straftäter bei uns keine Heimat fi nden können, so bleiben in dieser Haltung Versöhnung und Menschlichkeit möglich. Manchmal erleben wir dann sogar positive Überraschungen. Auf jeden Fall aber bleibt so das eigene Herz bewahrt vor dem Schaden, den Hass und Missgunst in uns selbst anrichten können.
Das Prüfen von allem bedeutet eben auch nicht nur, die äußeren Einflüsse und Angebote zu hinterfragen, sondern auch, in uns selbst zu schauen. Was sind unsere Werte? Wo sind wir echt? Was sind die wahren Impulse, die uns von innen leiten wollen? Dies kann ja als eine moderne Übersetzung von „Gottes Führung“ gelten. Indem wir uns diese Fragen stellen, können wir prüfen und das Gute behalten. Hier einige Beispiele für gutes Prüfen: Wenn wir in der Arbeit ständig „Ja“ sagen, nehmen wir oft mehr Aufgaben an, als wir bewältigen können. Dies kann zu Stress, Burnout und einer Abnahme der Arbeitsqualität führen. Ein „Nein“ zu zusätzlichen Projekten kann uns helfen, unsere Energie auf die wirklich wichtigen Aufgaben zu konzentrieren. Oft fühlen wir uns verpflichtet, zu jeder Einladung oder jedem sozialen Event „Ja“ zu sagen. Dann aber sind wir widerwillig da. Und das bestimmt die Qualität des Miteinanders. Es ist eine heuchelnde Gemeinschaft, die ein schales Gefühl zurück lässt. Auf der anderen Seite fehlt uns die Zeit für das, was uns wirklich begeistert und wichtig ist. Dazu gehören auch Ruhe, Hobbys oder persönliche Entwicklung.
Ein weiterer Aspekt, den es zu prüfen gilt: Wenn wir immer für andere da sind und ihre Bedürfnisse über unsere eigenen stellen, kann dies zu emotionaler Erschöpfung führen. Es braucht ein Gleichgewicht im Geben und Nehmen. Wir sind nicht Gott mit unbegrenzter Kraft. Ein liebevolles „Nein“ kann uns helfen, unsere emotionale Gesundheit zu bewahren und Beziehungen auf Augenhöhe zu führen.
Die Jahreslosung kann uns wie ein Kompass begleiten auf unserem Weg, der Mensch zu werden, als der wir gemeint sind; das Wesen in uns zu entwickeln, das als Samenkorn in uns hinein gelegt wurde. Dazu wünsche ich uns Mut! Wer weiß, wieviel Gutes daraus entstehen kann?
Pfarrerin Elke Langer